Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Das „dumme“ Schaf gewinnt.

Predigt an Ostern 2014


Liebe Gemeinde,

zwischen Heilig Abend und Ostern vollzieht sich das Leben Jesu.
Geburt, Flucht und Taufe.
Auftreten, Predigt und Heilungen.
Verrat, Folter und Tod am Kreuz.
Und Auferstehung.
Es gibt ein Symbol, das Weihnachten und Ostern verbindet.
Es ist:
Das Schaf.

Ich habe das hier aus der Krippe im Rönskenhof mitgebracht.

Schaf

Am Anfang und am Ende des Lebens Jesu spielt es eine Rolle.

Es ist das Schaf der Hirten auf dem Feld.
Es ist eins von den Tieren an der Krippe,
Es steht bei denen, in deren Mitte das Kind geboren wurde.
Zu ihnen kam das Kind, damit es Frieden auf Erden werde.
Für alle.
Für Mensch und Kreatur.

Mit Schafen hat es einst angefangen.
In Betlehem.
Nun soll er selbst das Schaf sein.
In Jerusalem.
Er hat sich zum Dummen gemacht, sagen die einen.
Hat sich aufgerieben, am Ende wurde er fallengelassen.
Er ist der Sündenbock, geopfert für die Sünden der Welt, sagen die anderen.
Als er gemartert wurde, tat er seinen Mund nicht auf wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird.
So hieß es Karfreitag im Predigttext aus Jesaja.
Vor dem Abendmahl  singen:
Christe, du Lamm Gottes ...
Und im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, ist der Auferstandene immer wieder ein Lamm.
Es steht auf dem Berg Zion.
Hält das Lebensbuch mit unser aller Namen in Händen.
Und die Gerechten folgen dem Lamm ins ewige Leben.
Alles erkauft mit dem Opfer Jesu, dem Lamm Gottes.
So steht es geschrieben.

Und doch:
Ich kann nicht an einen Gott glauben, der Opfer braucht.
Und ich glaube auch nicht daran, dass Gott auf solch ein Opfer angewiesen ist.
Ich glaube nicht, dass ein Mensch sterben muss, damit Gott barmherzig sein kann.

Ich glaube:
Es geht auch nicht um das „Opfer“ an sich, sondern:
Das Lamm, das Schaf, ist ein Bild für die Friedfertigkeit Jesu.
Und seines Gottes.
Er „musste“ nicht sterben im Sinne einer ewigen Blutrachenmentalität.
In der Schuld nur blutig gesühnt werden kann.
Nein, das braucht Gott nicht.
Aber er und die Schrift bieten uns an, uns und unsere Welt im Bild des Schafs neu zu sehen.
Neu zu verstehen.
Neu zu deuten.
Mit einer Schafsbrille auf der Nase.
Sozusagen.

Nein, Blutopfer braucht Gott nicht.
Es wird schon genug gestorben und gelitten in der Welt.
Und dieser Tod war zu grausam und sinnlos, um ihn nachträglich  zu rechtfertigen.

Deuten, ja.
Aber nicht rechtfertigen.

Sie haben sich an Jesus ausgelassen.
Und er hat gelitten wie ein Lamm auf der Schlachtbank.
Unschuldig, klaglos.
Wie ein „dummes“ Schaf.
Völlig weltfremd, dieser Jesus.
Predigt wie die Blumenkinder Gewaltlosigkeit und Liebe und wehrt sich nicht.
Anderen hat er geholfen und sich selber nicht.
Der Träumer scheitert am Kreuz der Realität.

Doch das Schaf trägt den Sieg davon.
Es ist zum Osterlamm geworden.
Zum Symbol für den auferstanden Christus, der den Tod überwunden hat.
Ausgerechnet er.
Das Lamm wird mit der Siegesfahne dargestellt.
So ist es in manchen Kirchen auf Bildern oder Fenstern zu sehen.
Das „dumme“ Schaf gewinnt.
Das ist die Osterbotschaft.
Kaum zu glauben.
Aber wahr.

Beim Wettlauf zwischen Leben und Tod, das Lamm gewinnt.
Beim Wettlauf zwischen Gewalt und Sanftmut, das Schaf gewinnt.
Beim Wettlauf um die Zeit, die uns bleibt, die Schöpfung zu bewahren, das Lamm gewinnt.
Eine Geschichte, kaum zu glauben, so unglaublich ist sie.
Das „dumme“ Schaf gewinnt.
Lachhaft in den Augen aller, die in dieser Welt etwas zählen.

Das Schaf, immer wieder ein Schaf.
Auch die Menschen aus Israel haben einst ein Lamm gegessen.
In der Nacht, in der sie aus der Sklaverei aufbrachen.
In die Freiheit.
Das Passah-Lamm erinnert daran:
Gott befreit.
Gott ergreift Partei.
Gott begleitet die Menschen auf dem Weg in die Freiheit.

Ostern erzählt uns, dass am Ende doch nicht triumphiert, was uns niederdrückt.
Die Kraft der Auferstehung ist stärker.
Sie hilft uns, das Schwere und Bittere in unserem Leben durchzustehen.
Und zu überwinden.
Es begegnen uns so viel Frechheit, Gleichgültigkeit und Machtgerangel.
Und doch:
Es zahlt sich aus, wenn wir uns nicht davon gefangen nehmen lassen.
Nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.
Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.
Die Siegesfahne trägt das Lamm, die Verkörperung von Sanftmut.
Und Friedfertigkeit.
Ostern macht Mut, dass es sich am Ende doch lohnt, auf Güte zu setzen.
Und auf Gerechtigkeit.
Und Gewaltlosigkeit.

Das Schaf gewinnt.
Das „dumme“, kleine Schaf.
Kaum zu glauben, aber wahr.
Das Schaf gewinnt, eigentlich ist das frech.
Nicht Panzer, die hüben und drüben auffahren.
Nicht die Drohkulissen der mächtigen Frauen und Männer.
Nicht der ewig gleiche Kreislauf von dicken Backen und Waffen.
Nein, das Schaf gewinnt.
Fast schon zum Lachen, wenn es nicht so todernst wäre.

Das „dumme“ Schaf.
Heute heißt es:
Der Phantast.
Die Pazifistin.
Der Spinner.
Die Öko-Tante.

Aber es wird sich zeigen, wer am Ende die Dummen sind.
Und wer zuletzt lacht in dieser Welt.
Wie schnell es gehen kann, haben wir doch erlebt.
Als zum Beispiel die Finanzkrise ausbrach:
Manch großes Vermögen löste sich in Luft auf.
Über Nacht.
Mächtige brachen zusammen und verarmten.
Und wer einst mit dem Köfferchen die Grenze in die Schweiz überschritt, muss erleben, dass sich heute die Gefängnistore hinter ihm schließen.
Es gibt sie, diese Geschichten von Gerechtigkeit.
Viel zu wenige in unseren Augen.
Aber es gibt sie.

Die Bibel ist sich sicher:
Am Ende wird auf dem Thron das Lamm sitzen.
Es wird die Schafe von den Böcken scheiden.
Und es wird jene zu sich rufen, die die Hungernden speisen.
Die Traurigen trösten.
Die Kranken besuchen.
Die zwischen die Panzer treten.
Und die Fremden in unserem Land aufnehmen.

Das Schaf gewinnt.
Kaum zu glauben.
Gottes Sicht der Welt.
Gottes Sicht auf die Welt.
Auf uns.
Glauben wir ihm und seinem Lamm.

Amen.

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Diese Predigt nimmt – wieder einmal – viele Gedanken von Margot Runge auf, Pfarrerin in Sangerhausen. Das Original findet sich hier:
http://www.kanzelgruss.de/index.php?seite=predigt&id=2548